Gesellschaft und Unternehmertum verstehen heißt nicht nur, die komplexen Verflechtungen und Interdependenzen, Prinzipien und Regeln – die ‚Grammatik‘ – einer globalisierten Marktwirtschaft zu begreifen. Vielmehr gilt es ebenso zu erkennen, welche Bedeutung Gestaltungswille, Unternehmergeist oder unternehmerisches Handeln engagierter Bürger:innen für die Bewältigung sozialer oder ökologischer Herausforderungen und den Zusammenhalt einer Gesellschaft konkret besitzen.
Unter dem Label „Social Entrepreneurship“ oder „Social Business“ entwickeln und verbreiten sich praktische und neue Ansätze gesellschaftlichen Unternehmertums – sei es zum Beispiel in der Armutsbekämpfung, in der Entwicklungszusammenarbeit, im Bildungswesen, in der Sozialen Arbeit oder im Bereich der Umwelt- und Energiepolitik. Gesellschaftliche Unternehmer:innen suchen und finden innovative Lösungen für existierende soziale oder ökologische Probleme und wollen mit ihren Ideen und deren Verbreitung auf lokaler, nationaler oder globaler Ebene wirken. Ihre gesellschaftspolitische Mission ist es, etwas zu verändern, aus der Mitte der Gesellschaft heraus mit unternehmerischer Kreativität und den ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ’sozialen Mehrwert‘ zu schaffen.
Und genau darin liegt der Unterschied zu klassischen Unternehmer:innen: Sie wollen gesellschaftlichen Nutzen maximieren, nicht den eigenen finanziellen Vorteil oder Gewinn. Dort, wo öffentliche Institutionen, wohlfahrtsstaatliche oder Nicht-Regierungs-Organisationen Schwierigkeiten haben, sind sie mit kreativen Denkansätzen, Know-how und Kosteneffizienz zur Stelle.
Erfolgreiche Konzepte und Leistungen eines solchen gesellschaftlichen Unternehmertums, welches einer karitativen oder staatlichen Lösung gesellschaftlicher Probleme einen im bestverstandenen Sinne marktwirtschaftlichen Denk- und Handlungsansatz an die Seite stellen, finden jedoch bislang in Ausbildung und Unterricht an Schulen, Hochschulen und in der praktischen beruflichen Weiterbildung in Deutschland noch verhaltene Resonanz. So sehr Social Entrepreneurship und Social Business als Ausdruck zivilgesellschaftlichen Engagements und als soziale Innovationen in der Praxis Konjunktur erfahren, so zaghaft erst schlägt sich die gesellschaftliche Debatte über ihren Stellenwert in der deutschsprachigen Literatur, in Forschung und Lehre nieder.
Die Stiftung Wirtschaft Verstehen hat daher 2011 die Veröffentlichung „Social Entrepreneurship – Social Business: Für die Gesellschaft unternehmen“ (herausgegeben von Prof. Dr. Helga Hackenberg und Dr. Stefan Empter) unterstützt und ermöglicht. Anliegen der 23 interdisziplinären Beiträge dieses Sammelbandes ist es, die Kernidee gesellschaftlichen Unternehmertums mit seinen unterschiedlichsten Herangehensweisen, Potentialen und Grenzen in die gesellschaftspolitische Debatte einzuordnen, konzeptionell zu schärfen und anhand ausgewählter Beispiele zu konkretisieren – um Lehrenden und Studierenden, Praktiker:innen und Interessierten weiterführende Impulse zu geben.
Das 2011 erschienene Buch hat sich mittlerweile zu einem Grundlagenband in der deutschen Forschung und Lehre zum Thema „Gesellschaftliches Unternehmertum“ entwickelt. Prof. Dr. Helga Hackenberg und Dr. Stefan Empter haben zum Thema weitere Fachbeiträge veröffentlicht wie auch Veranstaltungen durchgeführt:
- Helga Hackenberg / Stefan Empter (2011): „Für die Gesellschaft unternehmen: Social Entrepreneurship und Social Business in Deutschland“, in: AGP Mitteilungen 02-11, S. 10-11.
- Diskussionsveranstaltung „Sozialunternehmertum kommunizieren“ der MHMK Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation, der Evangelischen Hochschule Berlin und dem Wirtschaftsmagazin enorm, 8. Juni 2011, Berlin.
- Stefan Empter / Helga Hackenberg (2011): „Funding – Achilles‘ heel of Social Enterprises“, Solution Proposal for Panel “Funding Social Enterprises”, Global Economic Symposium 2011, 5./6. October 2011, Kiel.
- Stefan Empter / Raoul Fischer / Linda Kleemann / Renee Manuel / Rod Schwartz (2011): „Funding Social Enterprises – In Search of a Clear Profile“, in: Thrive – Magazine of the Global Economic Symposium 2011, S. 71-76.
- Helga Hackenberg / Stefan Empter: „Gesellschaftliche Potenziale von Social Entrepreneurship/Business“, Seminar im Rahmen der 5. Wittener Summerschool „Mit Sinn und Verstand. Wirtschaft und Gesellschaft neu denken“, 24. Juli 2012, Universität Witten-Herdecke.
- Stefan Empter (2013): „Social Business Sozialkaufhaus – Potenziale an der Grenze zwischen Gesellschaft und Wirtschaft“, in: Reinhold Fahlbusch u. a. (Hrsg.): Christliche Mildtätigkeit in Sozialkaufhäusern – Konzept gegen Armut?, Hannover, S. 130-143.
- Helga Hackenberg (2016): „Sozialunternehmer / Social Entrepreneur“, in: Johannes Eurich u. a. (Hrsg.): Evangelisches Soziallexikon, 9. überarbeitete Auflage, Stuttgart, S. 1443-1446.
- Helga Hackenberg u. a. (2020): „Sozialunternehmertum – Transformationskraft für eine sozial-solidarische Wirtschaft“, Anny Klawa-Morf Stiftung (Hrsg.), Bern.
- Helga Hackenberg / Stefan Empter (2021): „Grußwort“, in: SEND e. V. (Hrsg.): 3. Deutscher Social Entrepreneurship Monitor 2020/2021, Berlin, S. 7 und 95.
- Stefan Empter (2021): „Welcome Words“, in: Euclid Network (ed.): European Social Enterprise Monitor – The State of Social Enterprise in Europe, Report 2020-2021; The Hague/NL, S. 8.
- Diskussionsveranstaltung „Social Entrepreneurship: Gesellschaftliche Verantwortung ist unternehmerisches Kapital“ der Friedrich Naumann Stiftung u. a. mit Helga Hackenberg, 28. April 2021.
- Helga Hackenberg / Stefan Empter (2021): „Die Bedeutung von unternehmerischem Handeln im 21. Jahrhundert“, in: NFTE Deutschland e. V. (Hrsg.): Sozial verantwortlich wirtschaften – Social Entrepreneurship; Berlin (Free Pen Verlag), S. 4.
- Helga Hackenberg / Stefan Empter (2022): „Grußwort“, in: SEND e. V. (Hrsg.): 4. Deutscher Social Entrepreneurship Monitor 2021/2022, Berlin, S. 11 und 94.
- Stefan Empter (2022): „Welcome Words“, in: Euclid Network (ed.): European Social Enterprise Monitor – The State of Social Enterprise in Europe, Report 2021-2022; The Hague/NL, S. 12.
- Helga Hackenberg / Stefan Empter (2024): „Grußwort“, in: SEND e. V. (Hrsg.): Deutscher Social Entrepreneurship Monitor 2024, Berlin, S. 10 und 82.
- Philipp Kenel / Jennifer Eschweiler / Helga Hackenberg / Michael Wihlenda (Hrsg.) (2024): Social Entrepreneurship in Deutschland – Handbuch für Wissenschaft und Praxis, Bielefeld (transcript Verlag), erscheint 2024.